Westerngebisse und ihre Wirkung

Die Welt der Westerngebisse fällt genauso gross und vielseitig aus, wie es bei Gebissen in der Englisch Reiterei der Fall ist. Aufgrund der grossen Vielfalt an Westerngebissen kann man ein Mundstück wählen, das auf die Bedürfnisse des Pferdes mit seinen Stärken und Schwächen abgestimmt ist. In diesem Ratgeber zeigen wir dir, welche Möglichkeiten du beim Westernreiten hast und erklären dir, für welchen Einsatzzweck sich welches Westerngebiss am besten eignet.

Westerntrense hängt an einem Balken

Mit welchem Gebiss die Pferdeausbildung gestartet wird, ist nicht festgelegt. Auf dem Weg zum passenden Westerngebiss gehen wir näher im entsprechenden Ratgeber ein. Grundsätzlich sollte sich das Pferd mit dem Gebiss wohlfühlen, weil es auf die anatomischen Voraussetzungen des Pferdes abgestimmt ist. Viele Trainer beginnen ihr grünes Pferd mit einem Snaffle Bit, bevor es mit einem Billy Allen Bit weitergeht. Da das Westernreiten eine Impulsreiterei ist, die nicht mit einem dauerhaften Zügelkontakt erfolgt, werden viele Westernpferde mit einer blanken Westernkandare geritten. Diese ist schliesslich auch das Gebiss für weit ausgebildete Pferde.

Das einfach gebrochene Westerngebiss: Snaffle Bit

Das Snaffle Bit ist eine einfach gebrochene Wassertrense ohne Hebelwirkung. Es gibt sie sowohl mit beweglichen, durchlaufenden Ringen – das O-Ring Snaffle -, als auch mit D-Ringen – das Snaffle Dee Bit.

Das einfache Snaffle Bit wird gerne als Einsteigergebiss für junge Pferde eingesetzt, die sich daran gewöhnen sollen, ein Metallgebiss im Maul zu tragen. Es wird, wie grundsätzlich alle Westerngebisse, mit einem Kinnriemen verschnallt. Der Grund: Westernzäume beschränken sich auf die Basics.

Snaffle Bit

Der fehlende Nasenriemen kann also nicht verhindern, dass das Gebiss bei einseitigem Zügelzug durch das Pferdemaul gezogen wird. Ein Kinnriemen ersetzt den Nasenriemen und verstärkt die Wirkung des Gebisses. Näheres zu Kinnriemen und ihre Verschnallung findest du im Ratgeber zu Westerngebissen und ihr Zubehör.

Ein einfach gebrochenes Snaffle Bit wirkt auf Zunge und Unterkieferlade, wobei das Pferd dem Druck durch Anheben der Zunge ein Stück weit entgehen kann. Das mittige Gelenk erlaubt eine einseitige Zügelhilfe, wodurch seitwärtsweisende Hilfen dem Pferd leicht verständlich gemacht werden können. Der dabei gefürchtete Nussknackereffekt kommt nur bei einem zu grossen Mundstück in Verbindung mit einem zu heftigen Zügelzug zustande.

Die Zügel werden in die Ringe eingeschnallt, sodass sie sehr nahe am Mundstück liegen. Der Signalweg von der Reiterhand über den Zügel bis zum Pferdemaul ist also kürzer als bei einem Westerngebiss mit Anzügen. Mit einem Snaffle Bit wird also eine schnelle Kommunikation möglich, was besonders bei Pferden wichtig ist, die noch Hilfe durch eine direkte Zügelführung brauchen. In der weiteren Ausbildung kann man mit dem Snaffle Bit auch ohne anstehenden Zügel reiten.

Ebenfalls hat die Machart der Ringe einen Einfluss auf die Wirkung des Snaffle Bits: Bei einem O-Ring Snaffle werden die Hilfen etwas abgepuffert und kommen nicht so heftig im Pferdemaul an. Gleichzeitig kommen sie ohne Zeitverzögerung beim Pferd an, was im Kontrast zur Wirkungsweise einer Westernkandare steht.

O-Ring Snaffle
O-Ring Snaffle

Bei einem Snaffle Dee Bit wirken die festen Seitenteile als seitliche Begrenzung. Das hat einerseits den Vorteil, dass die Maulwinkel nicht eingeklemmt werden oder das Gebiss durchs Maul gezogen wird. Andererseits erhält das Pferd eine intensivere Unterstützung in seitwärtsweisenden Hilfen. Durch ein Western Snaffle Dee Bit kann das Pferd besser eingerahmt werden.

Snaffle Dee Bit
Snaffle Dee Bit

Eine Zwischenform zwischen einer Westernkandare und einem Snaffle Bit sind Shanked Snaffle Bits. Das sind gebrochene Mundstücke, die allerdings über Anzüge verfügen und damit eine Hebelwirkung mitbringen. Auf deren Wirkung gehen wir näher beim Billy Allen Bit und beim Curb Bit ein.

Shanked Snaffle Bit
Shanked Snaffle Bit

Doppelt gebrochene Westerntrense: Cricket Offset Dee Bit

Ein Cricket Offset Dee Bit ist mit einer doppelt gebrochenen D-Ring Trense der englischen Reiterei zu vergleichen. Durch die zwei Gelenke und ein zwischen den Mundstückteilen zwischengeschaltetes Mittelstück liegt das Offset Dee Bit gleichmässig auf der Pferdezunge auf. Es umschliesst sie sozusagen. Daher liegt das Gebiss auch sehr ruhig im Pferdemaul und übt gleichmässigen Druck auf die Zunge aus. Allerdings kann sich das Pferd dem dauerhaften Druck durch Anheben der Zunge nicht entziehen. Es wirkt demnach etwas schärfer als ein einfaches Snaffle Bit. Die festen, geraden Seitenteile geben dem Pferd eine seitliche Begrenzung und Führung.

Nicht alle Pferde laufen zufrieden mit einem doppelt gebrochenen Gebiss und auch an sich wird es selten bzw. nicht dauerhaft verwendet. Der Reiter braucht eine sehr leichte Hand und das Gebiss muss sehr gut auf die Maulbreite passen, damit die Gelenke nicht die Zungenränder zwischen den Laden einquetschen. Um zu prüfen, ob Pferdemaul und Gebiss zusammenpassen, muss man einen Blick ins Maul werfen. Hierzu gehen wir im Kapitel „Der Weg zum richtigen Westerngebiss“ in die Tiefe.

Westerngebiss Billy Allen Bit

Ein sehr beliebtes und häufig eingesetztes Westerngebiss ist das Billy Allen Bit. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein gewöhnliches Stangengebiss. Allerdings unterscheidet es sich durch eine mittlere Rolle, die die beiden Mundstückteile miteinander verbindet. Diese wiederum lassen sich unabhängig voneinander drehen und erlauben damit auch ein Seiten unabhängiges Einwirken. Von der Gebissstärke sind Billy Allen Bits nahezu einheitlich schmal. In der Regel sind sie mit einer Stärke von 10 bis 11 mm erhältlich, sodass sie im Pferdemaul nicht auftragen und gleichmässig und ruhig zum Liegen kommen. Das Billy Allen verbindet also die Vorteile einer Stange (ruhige Lage im Maul) mit den Vorteilen eines gebrochenen Gebisses (einseitige Zügelhilfe).

Billy Allen Bit
Billy Allen Bit

Dennoch: Selbst wenn sich die Mundstückteile drehen lassen, kann das Gebiss bei zu starkem Zügelzug wie eine Stange kippen. Dann wird die Zunge auf der einen Seite und die Oberkieferlade auf der gegenüberliegenden Seite gequetscht. Zum Beibringen von Stellung und Biegung ist das Billy Allen Bit nicht geeignet, Pferd und Reiter benötigen bereits einen entsprechenden Ausbildungsgrad. Die Hauptarbeit beim Reiten erfolgt über Gewichts- und Schenkelhilfen, die Zügel kommen nur impulsartig und bedingt zum Einsatz.

Billy Allen Bit
Billy Allen Bit

Wie auch beim Snaffle Bit gibt es auch beim Billy Allen eine Snaffle und eine Shanked Variante. Ein Shanked Billy Allen wird von Westerntrainern auch gerne als Einstiegskandare genutzt, wenn das Neck Reining bereits funktioniert. Bei einem Shanked Billy Allen lassen sich die Shanks nach aussen kippen, sodass noch mehr Beweglichkeit in die Zügelführung kommt. Das ist vor allem vorteilhaft, wenn das Pferd in der Biegung mit der inneren Schulter einfällt. Dann kann das Pferd mit einer einseitigen Zügelhilfe in der Schulter wieder leicht angehoben werden, ohne dass die andere Gebissseite beeinflusst wird.

Achtung!

Vor jedem Gebrauch des Billy Allen muss seine Beweglichkeit geprüft werden. Vor allem Gebisse mit Kupferinlays sind darauf ausgerichtet, dass sie früher oder später oberflächlichen Rost ansetzen, der zu einer besseren Annahme des Gebisses führt. Das kann allerdings die Beweglichkeit und damit Funktionsweise des Bits einschränken. Mehr zur Pflege von Westerngebissen findest du im entsprechenden Kapitel.

Bit with Shanks oder Westernkandare

Mit Blumenmuster verzierte Westernkandare
Westernkandare

Viele denken bei einem Westerngebiss zuerst an die Westernkandare. Diese gibt es in unterschiedlichen Ausführungen, wird aber stets ohne Unterlegtrense geritten. Eine blanke Westernkandare oder Curb Bit ist ein Stangengebiss mit Anzügen. Auf der anderen Seite gibt es Bits with Shanks, die in der Regel über gebrochene Mundstücke verfügen. Darunter fallen einfach gebrochene Snaffle Bits with Shanks, Shanked Billy Allen Bits oder auch das Correction Bit.

Während Gebrochene Bits with Shanks bis zu einem bestimmten Grad einseitige Zügelhilfen und damit das Erarbeiten von Stellung und Biegung erlauben, ist das mit einem festen Curb Bit nicht möglich. Das Pferd muss daher soweit ausgebildet sein, dass es sich selbst trägt, zwischen den Zügeln läuft (Neck Rein) und die direkte Zügelführung nicht mehr nötig hat. Auch der Reiter hält sich nicht am Zügel fest, sondern kann dem Pferd mit leichten Impulsen punktgenau Signale übermitteln. Eine Westernkandare wirkt auf Maul, Kinngrube und Genick.

Frau reitet ihr Westernpferd im Neck Rein
Neck Rein

Wie gross die Wirkung des Hebels ist, ist nicht allein von der Länge des Unterbaums abhängig. Es kommt auf das Verhältnis zwischen Ober- und Unterbaum an. Ist der Unterbaum lang, der Oberbaum jedoch sehr kurz, wirken grössere Kräfte auf das Genick des Pferdes. Denn der Drehpunkt, um den das Gebiss gekippt wird, liegt nicht in der Balance. Anders verhält es sich, wenn das Verhältnis zwischen Ober- und Unterbaum ausgewogen ist: Ist der Oberbaum nahezu gleich lang wie der Unterbaum, befindet sich der Drehpunkt relativ mittig und ausbalanciert. Dann ist das Gebiss weniger scharf als ein Gebiss mit zwar gleichlangem Unterbaum, aber kurzem Oberbaum. Man muss also die Westernkandare in ihrer Gesamtheit betrachten, um beurteilen zu können, wie scharf ihre Wirkung ist.

Gewinkelte Unterbäume einer Westernkandare
Gewinkelte Unterbäume einer Westernkandare

Weiterhin hat die Winkelung des Unterbaums einen Einfluss auf die Schärfe des Gebisses. Westernkandaren verlaufen nicht wie eine Dressurkandare gerade und parallel zur Maulspalte. Oftmals sind die Unterbäume eines Curb Bits leicht nach hinten geschwungen. Durch den Schwung nach hinten wird der Hebelarm verkürzt. Es kommt also auf die Gesamtstrecke zwischen Mundstück und Unterbaumring, in die der Zügel eingehängt wird, an.

Auf Shows sieht man häufig stark verzierte Curb Bits mit mehrfach geschwungenen, welligen Anzügen. Diese haben allerdings keine andere Wirkung als einfach gebogene Curb Bits, da es wie oben beschrieben auf die Gesamtlänge des Hebelarms ankommt und nicht auf den Weg, den das Metall zurücklegt.

Viele Westernkandaren verfügen über einen Port oder auch Zungenfreiheit genannt, was nicht direkt eine Freiheit für die Zunge bedeutet. Mehr dazu liest du in unserem Gebissratgeber. Durch Annehmen der Zügel dreht sich der Port mit und kippt nach vorne. Dadurch drückt er in den Gaumen, woraufhin das Pferd diesem Druck nachgeben muss. Je grösser der Port ist, desto schärfer wirkt demnach die Westernkandare.

Für einen korrekten Einsatz wird eine Westernkandare mit einer Kinnkette oder einem Kinnriemen verschnallt. Diese spricht dann an und begrenzt die Hebelwirkung der Kandare aufs Genick, wenn der Unterbaum die Hälfte seines Wegen zurückgelegt hat. Eine genauere Angabe zur Verschnallung ist kaum möglich, da Curb Bits unterschiedlich geschwungen und gebaut sind, sodass das korrekte Einstellen der Kinnkette von Gebiss zu Gebiss variiert. Wird die Kinnkette zu eng verschnallt, dann wirkt sie überaus scharf, selbst bei leichtem Zügelannehmen wird Druck auf die Kinngrube und den Unterkiefer ausgeübt. Ist sie hingegen zu locker geschnallt, setzt die Wirkung später ein und kommt für das Pferd zudem überraschend.

Westernkandare mit Kinnkette
Westernkandare mit Kinnkette

Warum wird beim Westernreiten auf blanker Kandare geritten?

Westernreiten ist eine Impulsreiterei, bei welcher das Pferd nicht in ständiger Anlehnung läuft. Eine Unterlegtrense, über welche die Hauptkommunikation erfolgt, ist demnach nicht nötig. In der Englischen Dressur wird eine stete Anlehnung über die Unterlegtrense aufgebaut, während der Kandarenzügel zum Verfeinern der Hilfen gedacht ist. Ausserdem wird beidhändig geritten, während kandarenreife Westernpferde einhändig geritten werden. In der Westernreiterei wird das Pferd ausgebildet, ohne dauerhaften Zügelkontakt in einer entsprechenden Selbsthaltung zu laufen. Eventuelle Zügelhilfen, die über das Neck Reining hinausgehen, werden dann nur impulsartig gegeben. Sobald das Pferd im Genick nachgibt, wird der Zügel wieder locker gelassen. Das kann nur mit einer fundierten und Jahre dauernden Grundausbildung erreicht werden.

Aus diesen Gründen ist das Reiten auf blanker Westernkandare nicht per se schärfer.

Correction Bit

Bei einem Correction Bit handelt es sich um ein doppelt gebrochenes Mundstück mit einer C-förmigen Zungenfreiheit und Anzügen. Die gleichlangen Mundstückteile sind beweglich mit dem C verbunden, ebenso lassen sich die Anzüge frei nach aussen bewegen. In seiner grundsätzlichen Funktionsweise ist das Correction Bit trotz der Anzüge mit einem doppelt gebrochenen Gebiss vergleichbar. Es liegt, wenn die Zügel durchhängen, grossflächig auf der Zunge auf. Wird der Zügel angenommen, kippt der C-förmige Port und übt Druck auf den Gaumen aus, sodass das Pferd schnell im Genick nachgibt. Das Correction Bit wirkt demnach auf Gaumen, Zunge, Maulwinkel und Genick. Im Gegensatz zu einer normalen doppelt gebrochenen Wassertrense übt das Correction Bit mehr Druck auf die Unterkieferladen aus, da es durch die Zungenfreiheit die Zunge leicht zusammenschiebt und damit weniger Puffer entsteht.

Correction Bit
Correction Bit
Correction Bit
Correction Bit

Durch die beweglich miteinander verbundenen Mundstückteile kann mit dem Correction Bit auch beidhändig geritten werden. Viele Trainer nutzen es aus diesem Grund für die ersten Schritte des Pferdes mit Kandare.

Eine wichtige Rolle im Gebrauch des Correction Bits spielt die Kinnkette. Wie bei allen Gebissen mit Anzügen begrenzt bzw. verstärkt die Kinnkette die Wirkung des Gebisses auf Unterkiefer und Genick des Pferdes.

Vorsicht ist bei scharfen Kanten geboten. Bei manchen Bits können die Kanten des C-Ports relativ scharf ausfallen, wodurch die Zunge des Pferdes verletzt werden kann. Viele Correction Bit-Modelle verfügen daher über abgerundete Ecken.

Woher der Name dieses Gebisses kommt, ist nicht genau geklärt, da Westernreiter das Correction Bit für die verschiedensten Zwecke verwenden. Manche Trainer nutzen das Correction Bit, um das Pferd vor einer Show „scharf zu schalten“, je nachdem wie eng die Kinnkette geschnallt wurde. Andere nutzen es für die ersten Gehversuche mit einem Hebelgebiss, sodass Correction Bits auch in der Ausbildung des Pferdes zum Einsatz kommen. Dennoch gehört das Correction Bit, wie jedes Bit with Shanks, nur in leichte Hände, die bei einer Reaktion des Pferdes sofort nachgeben.